Ein öffentlicher Platz. (Simson und Gregorio, zwei Bediente Capulets, treten auf.)
Simson. Auf mein Wort, Gregorio, wir wollen nichts in die Tasche stecken.
Gregorio. Freilich nicht, sonst wären wir Taschenspieler.
Simson. Ich meine, ich werde den Koller kriegen, und vom Leder ziehn.
Gregorio. Ne, Freund! deinen ledernen Koller mußt du beileibe nicht ausziehen.
Simson. Ich schlage geschwind zu, wenn ich aufgebracht bin.
Gregorio. Aber du wirst nicht geschwind aufgebracht.
Simson. Ein Hund aus Montagues Hause bringt mich schon auf.
Gregorio. Einen aufbringen, heißt: ihn von der Stelle schaffen. Um tapfer zu sein, muß man stand halten. Wenn du dich also aufbringen läßt, so läufst du davon.
Simson. Ein Hund aus dem Hause bringt mich zum stand halten. Mit jedem Bedienten und jedem Mädchen Montagues will ich es aufnehmen.
Gregorio. Der Streit ist nur zwischen unseren Herrschaften und uns, ihren Bedienten. Es mit den Mädchen aufnehmen? Pfui doch! Du solltest dich lieber von ihnen aufnehmen lassen.
Simson. Einerlei! Ich will barbarisch zu Werke gehn. Hab' ich's mit den Bedienten erst ausgefochten, so will ich mir die Mädchen unterwerfen. Sie sollen die Spitze meines Degens fühlen, bis er stumpf wird.
Gregorio. Zieh nur gleich vom Leder: Da kommen zwei aus dem Hause der Montagues.
(Abraham und Balthasar treten auf.)
Simson. Hier! mein Gewehr ist blank. Fang nur Händel an, ich will den Rücken decken.
Gregorio. Den Rücken? willst du Reißaus nehmen?
Simson. Fürchte nichts von mir.
Gregorio. Ne, wahrhaftig! ich dich fürchten?
Simson. Laß uns das Recht auf unserer Seite behalten, laß sie anfangen.
Gregorio. Ich will ihnen im Vorbeigehn ein Gesicht ziehen, sie mögen’s nehmen, wie sie wollen.
Simson. Wie sie dürfen, lieber. Ich will ihnen einen Esel bohren; wenn sie es einstecken, so haben sie den Schimpf.
Abraham. Bohrt ihr uns einen Esel, mein Herr?
Simson. Ich bohre einen Esel, mein Herr.
Abraham. Bohrt ihr uns einen Esel, mein Herr?
Simson. Ist das Recht auf unsrer Seite, wenn ich ja sage?
Gregorio. Nein.
Simson. Nein, mein Herr! Ich bohre euch keinen Esel, mein Herr. Aber ich bohre einen
Esel, mein Herr.
Gregorio. Sucht ihr Händel, mein Herr?
Simson. Wenn ihr sonst Händel sucht, mein Herr: ich steh zu Diensten. Ich bediene einen
eben so guten Herrn wie ihr.
Abraham. Keinen bessern.
Simson. Sehr wohl, mein Herr!
(Benvolio tritt auf.)
Gregorio. Sag: einen bessern; hier kömmt ein Vetter meiner Herrschaft.
Simson. Ja doch, einen bessern, mein Herr.
Abraham. Ihr lügt.
Simson. Zieht, wo ihr Kerls seid! Frisch, Gregorio! denk’ mir an deinen
Schwadronirhieb.
Sie fechten.
Benvolio. Ihr Narren, fort! steckt eure Schwerter ein;
Ihr wißt nicht, was ihr thut.
(Tybalt tritt auf.)
Tybalt. Was? ziehst du unter den verzagten Knechten?
Hieher, Benvolio! Beut die Stirn dem Tode!
Benvolio. Ich stifte Frieden: steck’ dein Schwert nur ein,
Wo nicht, so führ' es, diese hier zu trennen!
Tybalt. Was? Ziehn, und Friede rufen? Wie die Hölle
Hass’ ich das Wort, wie alle Montagues
Und dich! Wehr dich, du Memme!
(Sie fechten.)
(Verschiedene Anhänger beider Häuser kommen und mischen sich in den Streit; dann
Bürger mit Knitteln.)
Ein Bürger.He! Spieß'’ und Stangen her! – Schlagt auf sie los!
Weg mit den Capulets! – Weg mit den Montagues!
(Capulet im Schlafrock, und Gräfin Capulet.)
Capulet. Was für ein Lärm? - Holla, mein langes Schwert!
Gräfin Capulet. Nein, Krücken! Krücken! Wozu soll ein Schwert!
Capulet. Mein Schwert, sag’ ich! Der alte Montague
Kommt dort, und wetzt die Klinge mir zum Hohn.
(Montague und Gräfin Montague.)
Montague. Du Schurke! Capulet! – Laßt los, laßt mich gewähren!
Gräfin Montague. Du sollst dich keinen Schritt dem Feinde nähern.
(Der Prinz mit Gefolge.)
Prinz. Aufrührische Vasallen! Friedensfeinde!
Die ihr den Stahl mit Nachbarblut entweiht! –
Wollt ihr nicht hören? – Männer! wilde Tiere!
Die ihr die Flammen eurer schnöden Wut
Im Purpurquell aus euren Adern löscht!
Zu Boden werft, bei Buß’ an Leib und Leben,
Die mißgestählte Wehr aus blut'ger Hand!
Hört eures ungehaltnen Fürsten Spruch!
Drei Bürgerzwiste haben dreimal nun,
Aus einem luft’gen Wort von euch erzeugt,
Du alter Capulet und Montague,
Den Frieden unsrer Straßen schon gebrochen.
Veronas graue Bürger mußten sich
Entladen ihres ehrenfesten Schmucks,
Und alte Speer’ in alten Händen schwingen,
Woran der Rost des langen Friedens nagte,
Dem Hasse, der euch nagt, zu widerstehn.
Verstört ihr jemals wieder unsre Stadt,
So zahl’ eu’r Leben mir den Friedensbruch.
Für jetzt begebt euch, all ihr andern, weg!
Ihr aber, Capulet, sollt mich begleiten.
Ihr, Montague, kommt diesen Nachmittag
Zur alten Burg, dem Richtplatz unsres Banns,
Und hört, was hierin fürder mir beliebt,
Bei Todesstrafe, sag’ ich: alle fort!
(Der Prinz, sein Gefolge, Capulet, Gräfin Capulet, Tybalt, die Bürger und Bedienten gehen ab.)
Montague. Wer bracht’ aufs neu den alten Zwist in Gang?
Sagt, Neffe, wart ihr da, wie er begann?
Benvolio. Die Diener eures Gegners fochten hier,
Erhitzt mit euren schon, eh' ich mich nahte;
Ich zog, um sie zu trennen. Plötzlich kam
Der wilde Tybalt mit gezücktem Schwert,
Und schwang, indem er schnaubend Kampf mir bot,
Es um sein Haupt, und hieb damit die Winde,
Die, unverwundet, zischend ihn verhöhnten.
Derweil wir Hieb' und Stöße wechseln, kamen
Stets mehr und mehr, und fochten mit einander;
Dann kam der Fürst und schied sie von einander.
Gräfin Montague. Ach, wo ist Romeo? Saht ihr ihn heut?
Wie froh bin ich! Er war nicht bei dem Streit.
Benvolio. Schon eine Stunde, Gräfin, eh’ im Ost
Die heil’ge Sonn’ aus goldnem Fenster schaute,
Trieb mich ein irrer Sinn ins Feld hinaus.
Dort, in dem Schatten des Kastanienhains,
Der vor der Stadt gen Westen sich verbreitet,
Sah ich, so früh schon wandelnd, euren Sohn.
Ich wollt’ ihm nahn, er aber nahm mich wahr
Und stahl sich tiefer in des Waldes Dickicht.
Ich maß sein Innres nach dem meinen ab,
Das in der Einsamkeit am regsten lebt,
Ging meiner Laune nach, ließ seine gehn,
Und gern vermied ich ihn, der gern mich floh.
Montague. Schon manchen Morgen ward er dort gesehn,
Wie er den frischen Tau durch Thränen mehret,
Und, tief erseufzend, Wolk’ an Wolke drängte.
Allein sobald im fernen Ost die Sonne,
Die allerfreu’nde, von Auroras Bett
Den Schattenvorhang wegzuziehn beginnt,
Stiehlt vor dem Licht mein finstrer Sohn sich heim,
Und sperrt sich einsam in sein Kämmerlein,
Verschließt dem schönen Tageslicht die Fenster,
Und schaffet künstlich Nacht um sich herum.
In schwarzes Mißgeschick wird er sich träumen,
Weiß guter Rat den Grund nicht wegzuräumen.
Benvolio. Mein edler Oheim, wisset ihr den Grund?
Montague. Ich weiß ihn nicht, und kann ihn nicht erfahren.
Benvolio. Lag’t ihr ihm jemals schon deswegen an?
Montague. Ich selbst, sowohl als mancher andre Freund.
Doch er, der eignen Neigungen Vertrauter,
Ist gegen sich, wie treu, will ich nicht sagen,
Doch so geheim und in sich selbst gekehrt,
So unergründlich forschendem Bemühn,
Wie eine Knospe, die ein Wurm zernagt,
Eh’ sie der Luft ihr zartes Laub entfalten,
Und ihren Reiz der Sonne weihen kann.
Erführen wir, woher sein Leid entsteht,
Wir heilten es so gern, als wir’s erspäht.
(Romeo erscheint in einiger Entfernung.)
Benvolio. Da kömmt er, seht! Geruht uns zu verlassen.
Galt ich ihm je was, will ich schon ihn fassen.
Montague. O, beichtet’ er für dein Verweilen dir
Die Wahrheit doch! – Kommt, Gräfin, gehen wir!
(Montague und Gräfin Montague gehen ab.)
Benvolio. Ha, guten Morgen, Vetter!
Romeo. Erst so weit?
Benvolio. Kaum schlug es neun.
Romeo. Weh mir. Gram dehnt die Zeit.
War das mein Vater, der so eilig ging?
Benvolio. Er war’s. Und welcher Gram dehnt euch die Stunden?
Romeo. Daß ich entbehren muß, was sie verkürzt.
Benvolio. Entbehrt ihr Liebe?
Romeo. Nein.
Benvolio. So ward sie euch zu teil?
Romeo. Nein, Lieb’ entbehr’ ich, wo ich lieben muß.
Benvolio. Ach, daß der Liebesgott, so mild im Scheine,
So grausam in der Prob’ erfunden wird!
Romeo. Ach, daß der Liebesgott, trotz seinen Binden,
Zu seinem Ziel stets Pfade weiß zu finden!
Wo speisen wir? – Ach! welch ein Streit war hier?
Doch sagt mir’s nicht, ich hört es alles schon:
Haß gibt hier viel zu schaffen, Liebe mehr.
Nun dann: liebreicher Haß! streitsücht’ge Liebe!
Du alles, aus dem nichts zuerst erschaffen!
Schwermüt’ger Leichtsinn! ernste Tändelei!
Entstelltes Chaos glänzender Gestalten!
Bleischwinge! lichter Rauch und kalte Glut!
Stets wacher Schlaf! dein eignes Widerspiel! –
So fühl’ ich Lieb’, und hasse, was ich fühl’?
Du lachst nicht?
Benvolio. Nein, das Weinen ist mir näher.
Romeo. Warum, mein Herz?
Benvolio. Um deines Herzens Qual.
Romeo. Das ist der Liebe Unbill nun einmal.
Schon eignes Leid will mir die Brust zerpressen,
Dein Gram um mich wird voll das Maß mir messen.
Die Freundschaft, die du zeigst, mehrt meinen Schmerz;
Denn, wie sich selbst, so quält auch dich mein Herz.
Lieb’ ist ein Rauch, den Seufzerdämpf’ erzeugten;
Geschürt, ein Feu’r, von dem die Augen leuchten;
Gequält, ein Meer, von Thränen angeschwellt;
Was ist sie sonst? Verständ’ge Raserei,
Und ekle Gall’, und süße Spezerei.
Lebt wohl, mein Freund!
Benvolio. Sacht! Ich will mit euch gehen;
Ihr thut mir Unglimpf, laßt ihr so mich stehen.
Romeo. Ach, ich verlor mich selbst; ich bin nicht Romeo.
Der ist nicht hier: er ist – ich weiß nicht wo.
Benvolio. Entdeckt mir ohne Mutwill, wen ihr liebt.
Romeo. Bin ich nicht ohne Mut und ohne Willen?
Benvolio. Nein, sagt mir’s ohne Scherz.
Romeo. Verscherzt ist meine Ruh: wie sollt’ ich scherzen?
O, überflüss’ger Rat bei so viel Schmerzen!
Hört, Vetter, denn im Ernst: Ich lieb’ ein Weib.
Benvolio. Ich traf’s doch gut, da ich verliebt euch glaubte.
Romeo. Ein wackrer Schütz’! - Und, die ich lieb’, ist schön.
Benvolio. Ein glänzend Ziel kann man am ersten treffen.
Romeo. Dies Treffen traf dir fehl, mein guter Schütz’;
Sie meidet Amors Pfeil, sie hat Dianens Witz,
Umsonst hat ihren Panzer keuscher Sitten
Der Liebe kindisches Geschoß bestritten.
Sie wehrt den Sturm der Liebesbitten ab,
Steht nicht dem Angriff kecker Augen, öffnet
Nicht ihren Schoß dem Gold’, das Heil’ge lockt.
O, sie ist reich an Schönheit; arm allein,
Weil, wenn sie stirbt, ihr Reichtum hin wird sein.
Benvolio. Beschwor sie der Enthaltsamkeit Gesetze?
Romeo. Sie that’s, und dieser Geiz vergeudet Schätze.
Denn Schönheit, die der Lust sich streng enthält,
Bringt um ihr Erb’ die ungeborne Welt.
Sie ist zu schön und weis’, um Heil zu erben,
Weil sie, mit Weisheit schön, mich zwingt zu sterben.
Sie schwor zu lieben ab, und dies Gelübd’
Ist Tod für den, der lebt, nur weil er liebt.
Benvolio. Folg’ meinem Rat, vergiß an sie zu denken.
Romeo. So lehre mich, das Denken zu vergessen.
Benvolio. Gib deinen Augen Freiheit, lenke sie
Auf andre Reize hin.
Romeo. Das ist der Weg
Mir ihren Reiz in vollem Licht zu zeigen.
Die Schwärze jener neidenswerten Larven,
Die schöner Frauen Stirne küssen, bringt
Uns in den Sinn, daß sie das Schöne bergen.
Der, welchen Blindheit schlug, kann nie das Kleinod
Des eingebüßten Augenlichts vergessen.
Zeigt mir ein Weib, unübertroffen schön;
Mir gilt ihr Reiz wie eine Weisung nur,
Worin ich lese, wer sie übertrifft.
Leb’ wohl! Vergessen lehrest du mich nie.
Benvolio. Dein Schuldner sterb’ ich, glückt mir nicht die Müh.
(Beide ab.)
Eine Straße. (Capulet, Paris und ein Bedienter kommen.)
Capulet. Und Montague ist mit derselben Buße
Wie ich bedroht. Für Greise, wie wir sind,
Ist Frieden halten, denk’ ich, nicht so schwer.
Paris. Ihr geltet beid’ als ehrenwerte Männer,
Und Jammer ist’s um euren langen Zwiespalt.
Doch, edler Graf, wie dünkt euch mein Gesuch?
Capulet. Es dünkt mich so, wie ich vorhin gesagt.
Mein Kind ist noch ein Fremdling in der Welt,
Sie hat kaum vierzehn Jahre wechseln sehn.
Laßt noch zwei Sommer prangen und verschwinden,
Eh’ wir sie reif, um Braut zu werden, finden.
Paris. Noch jüngre wurden oft beglückte Mütter.
Capulet. Wer vor der Zeit beginnt, der endigt früh.
All meine Hoffnungen verschlang die Erde,
Mir blieb nur dieses hoffnungsvolle Kind.
Doch werbt nur, lieber Graf! Sucht euer Heil!
Mein Will’ ist von dem ihren nur ein Teil.
Wenn sie aus Wahl in eure Bitten willigt,
So hab’ ich im voraus ihr Wort gebilligt.
Ich gebe heut ein Fest, von alters hergebracht,
Und lud darauf der Gäste viel zu Nacht,
Was meine Freunde sind: ihr, der dazu gehöret,
Sollt hoch willkommen sein, wenn ihr die Zahl vermehret.
In meinem armen Haus sollt ihr des Himmels Glanz
Heut nacht verdunkelt sehn durch ird’scher Sterne Tanz.
Wie muntre Jünglinge mit neuem Mut sich freuen,
Wenn auf die Fersen nun der Fuß des holden Maien
Dem lahmen Winter tritt: die Lust steht euch bevor,
Wann euch in meinem Haus ein frischer Mädchenflor
Von jeder Seit’ umgibt. Ihr hört, ihr seht sie alle,
Daß, die am schönsten prangt, am meisten euch gefalle.
Dann mögt ihr in der Zahl auch meine Tochter sehn,
Sie zählt für eine mit, gilt sie schon nicht für schön.
Kommt, geht mit mir! – Du, Bursch’, nimm dies Papier mit Namen;
Trab’ in der Stadt herum, such’ alle Herrn und Damen,
So hier geschrieben stehn, und sag’ mit Höflichkeit:
Mein Haus und mein Empfang steh’ ihrem Dienst bereit.
(Capulet und Paris gehen ab.)
Der Bediente. Die Leute soll ich suchen, wovon die Namen hier geschrieben stehn? Es steht geschrieben, der Schuster soll sich um seine Elle kümmern, der Schneider um seinen Leisten, der Fischer um seinen Pinsel, der Maler um seine Netze. Aber mich schicken sie, um die Leute ausfindig zu machen, wovon die Namen hier geschrieben stehn, und ich kann doch gar nicht ausfindig machen, was für Namen der Schreiber hier aufgeschrieben hat.
Ich muß zu den Gelahrten – auf gut Glück!
(Benvolio und Romeo kommen.)
Benvolio. Pah, Freund! Ein Feuer brennt das andre nieder;
Ein Schmerz kann eines andern Qualen mindern.
Dreh’ dich im Schwindel, hilf durch Drehn dir wieder!
Fühl’ andres Leid, das wird dein Leiden lindern!
Saug’ in dein Auge neuen Zaubersaft,
So wird das Gift des alten fortgeschafft.
Romeo. Ein Blatt vom Weg’rich dient dazu vortrefflich . . .
Benvolio. Ei, sag’, wozu?
Romeo. Für dein zerbrochnes Bein.
Benvolio. Was, Romeo, bist du toll?
Romeo. Nicht toll, doch mehr gebunden wie ein Toller,
Gesperrt in einen Kerker, ausgehungert,
Gegeißelt und geplagt, und – Guten Abend, Freund!
(Zu dem Bedienten.)
Der Bediente. Gott grüß’ euch, Herr! Ich bitt’ euch, könnt ihr lesen?
Romeo. Ja wohl, in meinem Elend mein Geschick.
Der Bediente. Vielleicht habt ihr das auswendig gelernt. Aber sagt: könnt ihr alles vom Blatte weglesen?
Romeo. Ja, freilich, wenn ich Schrift und Sprache kenne.
Der Bediente. Ihr redet ehrlich. Gehabt euch wohl!
Romeo. Wart! Ich kann lesen, Bursch.
(Er liest das Verzeichnis.)
"Signor Martino und seine Frau und Tochter; Graf Anselm und seine reizenden Schwestern; die verwitwete Freifrau von Vitruvio; Signor Placentio und seine artigen Nichten; Mercutio und sein Bruder Valentio; mein Oheim Capulet, seine Frau und Töchter; meine schöne Nichte Rosalinde; Livia; Signor Valentio und sein Vetter Tybalt; Lucio und die muntre Helena."
(Gibt das Papier zurück.)
Ein schöner Haufe! Wohin lädst du sie?
Der Bediente. Hinauf.
Romeo. Wohin?
Der Bediente. Zum Abendessen in unser Haus.
Romeo. Wessen Haus?
Der Bediente. Meines Herrn.
Romeo. Das hätt’ ich freilich eher fragen sollen.
Der Bediente. Nun will ich’s euch ohne Fragen erklären. Meine Herrschaft ist der große, reiche Capulet, und wenn ihr nicht vom Hause der Montagues seid, so bitt’ ich euch, kommt, stecht eine Flasche Wein mit aus. Gehabt euch wohl!
(Geht ab.)
Benvolio. Auf diesem hergebrachten Gastgebot
Der Capulets speist deine Rosalinde
Mit allen Schönen, die Verona preist.
Geh hin, vergleich mit unbefangnem Auge
Die andern, die du sehen sollst, mit ihr.
Was gilt’s? Dein Schwan dünkt eine Krähe dir.
Romeo. Höhnt meiner Augen frommer Glaube je
Die Wahrheit so: dann, Thränen, werdet Flammen,
Und ihr, umsonst ertränkt in manchem See,
Mag eure Lüg’ als Ketzer euch verdammen.
Ein schön’res Weib als sie? Seit Welten stehn
Hat die allseh’nde Sonn’ es nicht gesehn.
Benvolio. Ja, ja! du sahst sie schön, doch in Gesellschaft nie;
Du wogst nur mit sich selbst in jedem Auge sie.
Doch leg’ einmal zugleich in die kristallnen Schalen
Der Jugendreize Bild, wovon auch andre strahlen,
Die ich dir zeigen will bei diesem Fest vereint:
Kaum leidlich scheint dir dann, was jetzt ein Wunder scheint.
Romeo. Gut, ich begleite dich. Nicht um des Schauspiels Freuden:
An meiner Göttin Glanz will ich allein mich weiden.
(Beide ab.)
Ein Zimmer in Capulets Hause. (Gräfin Capulet und die Wärterin.)
Gräfin Capulet. Ruft meine Tochter her: wo ist sie, Amme?
Wärterin. Bei meiner Jungfernschaft im zwölften Jahr,
Ich rief sie schon. - He, Lämmchen! zartes Täubchen!
Daß Gott! wo ist das Kind? he, Juliette!
(Julia kommt.)
Julia. Was ist? Wer ruft mich?
Wärterin.' Eure Mutter.
Julia. Hier bin ich, gnäd’ge Mutter! Was beliebt?
Gräfin Capulet. Die Sach’ ist diese: – Amme, geh beiseit’,
Wir müssen heimlich sprechen. Amme, komm
Nur wieder her, ich habe mich besonnen;
Ich will dich mit zur Ueberlegung ziehn.
Du weißt, mein Kind hat schon ein hübsches Alter.
Wärterin. Das zähl’ ich, meiner Treu, am Finger her.
Gräfin Capulet. Sie ist nicht vierzehn Jahre.
Wärterin. Ich wette vierzehn meiner Zähne drauf –
Zwar hab’ ich nur vier Zähn’, ich arme Frau –
Sie ist noch nicht vierzehn. Wie lang ist’s bis Johannis?
Gräfin Capulet. Ein vierzehn Tag’ und drüber.
Wärterin. Nu, drüber oder drunter. Just den Tag,
Johannistag zu Abend wird sie vierzehn.
Suschen und sie – Gott gebe jedem Christen
Das ew’ge Leben! – waren eines Alters.
Nun, Suschen ist bei Gott:
Sie war zu gut für mich. Doch, wie ich sagte,
Johannistag zu Abend wird sie vierzehn.
Das wird sie, meiner Treu; ich weiß es recht gut.
Elf Jahr ist’s her, seit wir’s Erdbeben hatten:
Und ich entwöhnte sie (mein Leben lang
Vergess’ ich’s nicht) just auf denselben Tag.
Ich hatte Wermut auf die Brust gelegt,
Und saß am Taubenschlage in der Sonne;
Die gnäd’ge Herrschaft war zu Mantua.
(Ja, ja! Ich habe Grütz’ im Kopf!) Nun, wie ich sagte:
Als es den Wermut auf der Warze schmeckte,
Und fand ihn bitter – närr’sches, kleines Ding –
Wie’s böse ward, und zog der Brust ein Gesicht!
Krach! sagt der Taubenschlag; und ich, fürwahr,
Ich wußte nicht, wie ich mich tummeln sollte.
Und seit der Zeit ist’s nun elf Jahre her.
Denn damals stand sie schon allein; mein Treu,
Sie lief und watschelt’ euch schon flink herum.
Denn Tags zuvor fiel sie die Stirn entzwei,
Und da hob sie mein Mann – Gott hab ihn selig!
Er war ein lust’ger Mann – vom Boden auf.
Ei, sagt’ er, fällst du so auf dein Gesicht?
Wirst rücklings fallen, wenn du klüger bist.
Nicht wahr, mein Kind? Und, liebe, heil’ge Frau!
Das Mädchen schrie nicht mehr und sagte: Ja.
Da seh’ man, wie so ’n Spaß zum Vorschein kommt!
Und lebt’ ich tausend Jahre lang, ich wette,
Daß ich es nie vergäß’. Nicht wahr, mein Kind? sagt er,
Und ’s liebe Närrchen ward still und sagte: Ja.
Gräfin Capulet. Genug davon, ich bitte, halt dich ruhig.
Wärterin. Ja, gnäd’ge Frau. Doch lächert’s mich noch immer,
Wie ’s Kind sein Schreien ließ und sagte: Ja.
Und saß ihm, meiner Treu, doch eine Beule,
So dick wie ’n Hühnerei, auf seiner Stirn.
Recht gefährlich dick! und es schrie bitterlich.
Mein Mann, der sagte: Ei, fällst aufs Gesicht?
Wirst rücklings fallen, wenn du älter bist.
Nicht wahr, mein Kind? still ward’s und sagte: Ja.
Julia. Ich bitt’ dich, Amme, sei doch auch nur still.
Wärterin. Gut, ich bin fertig. Gott behüte dich!
Du warst das feinste Püppchen, das ich säugte.
Erleb’ ich deine Hochzeit noch einmal,
So wünsch’ ich weiter nichts.
Gräfin Capulet. Die Hochzeit, ja! das ist der Punkt, von dem
Ich sprechen wollte. Sag mir, liebe Tochter,
Wie steht’s mit deiner Lust dich zu vermählen?
Julia. Ich träumte nie von dieser Ehre noch.
Wärterin. Ein Ehre! Hätt’st du eine andre Amme
Als mich gehabt, so wollt’ ich sagen: Kind,
Du habest Weisheit mit der Milch gesogen.
Gräfin Capulet. Gut, denke jetzt dran; jünger noch als du
Sind angeseh’ne Fraun hier in Verona
Schon Mütter worden. Ist mir recht, so war
Ich deine Mutter in demselben Alter,
Wo du noch Mädchen bist. Mit einem Wort:
Der junge Paris wirbt um deine Hand.
Wärterin. Das ist ein Mann, mein Fräulein! Solch’ ein Mann
Als alle Welt – ein wahrer Zuckermann!
Gräfin Capulet. Die schönste Blume von Veronas Flor.
Wärterin. Ach ja, ’ne Blume! Gelt, ’ne rechte Blume!
Gräfin Capulet. Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann?
Heut abend siehst du ihn bei unserm Fest.
Dann lies im Buche seines Angesichts,
In das der Schönheit Griffel Wonne schrieb;
Betrachte seiner Züge Lieblichkeit,
Wie jeglicher dem andern Zierde leiht.
Was dunkel in dem holden Buch geblieben,
Das lies in seinem Aug am Rand geschrieben.
Und dieses Freiers ungebundner Stand,
Dies Buch der Liebe, braucht nur einen Band.
Der Fisch lebt in der See, und doppelt teuer
Wird äußres Schön’, als innrer Schönheit Schleier.
Das Buch glänzt allermeist im Aug’ der Welt,
Das goldne Lehr’ in goldnen Spangen hält.
So wirst du alles, was er hat, genießen,
Wenn du ihn hast, ohn’ etwas einzubüßen.
Wärterin. Einbüßen? Nein, zunehmen wird sie eher;
Die Weiber nehmen oft durch Männer zu.
Gräfin Capulet. Sag kurz: fühlst du dem Grafen dich geneigt?
Julia. Gern will ich sehn, ob Sehen Neigung zeugt;
Doch weiter soll mein Blick den Flug nicht wagen,
Als ihn die Schwingen eures Beifalls tragen.
(Ein Bedienter kommt.)
Der Bediente. Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Abendessen auf dem Tisch, ihr werdet gerufen, das Fräulein gesucht, die Amme in der Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht drunter und drüber. Ich muß fort, aufwarten: ich bitte euch, kommt unverzüglich.
Gräfin Capulet. Gleich! – Paris wartet. Julia, komm geschwind!
Wärterin. Such frohe Nächt’ auf frohe Tage, Kind!
(Ab.)
Eine Straße. (Romeo, Mercutio, Benvolio, mit fünf oder sechs Masken, Fackelträgern und anderen.)
Romeo. Soll diese Red’ uns zur Entschuld’gung dienen?
Wie? oder treten wir nur grad’ hinein?
Benvolio. Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte.
Wir wollen keinen Amor, mit der Schärpe
Geblendet, der den buntbemalten Bogen
Wie ein Tatar, geschnitzt aus Latten, trägt,
Und wie ein Vogelscheu die Frauen schreckt;
Auch keinen hergebeteten Prolog,
Wobei viel zugeblasen wird, zum Eintritt.
Laßt sie uns nur, wofür sie wollen, nehmen,
Wir nehmen ein paar Tänze mit und gehn.
Romeo. Ich mag nicht springen; gebt mir eine Fackel,
Da ich so finster bin, so will ich leuchten.
Mercutio. Nein, du mußt tanzen, lieber Romeo.
Romeo. Ich wahrlich nicht. Ihr seid so leicht von Sinn
Als leicht beschuht: mich drückt ein Herz von Blei
Zu Boden, daß ich kaum mich regen kann.
Mercutio. Ihr seid ein Liebender: borgt Amors Flügel,
Und schwebet frei in ungewohnten Höhn.
Romeo. Ich bin zu tief von seinem Pfeil durchbohrt,
Auf seinen leichten Schwingen hoch zu schweben.
Gewohnte Fesseln lassen mich nicht frei;
Ich sinke unter schwerer Liebeslast.
Mercutio. Und wolltet ihr denn in die Liebe sinken?
Ihr seid zu schwer für ein so zartes Ding.
Romeo. Ist Lieb’ ein zartes Ding? Sie ist zu rauh,
Zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn.
Mercutio. Begegnet Lieb’ euch rauh, so thut desgleichen!
Stecht Liebe, wenn sie sticht: das schlägt sie nieder.
(Zu einem andern aus dem Gefolge.)
Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir:
’ne Larve für ’ne Larve!
(Bindet die Maske vor.)
Nun erspähe
Die Neugier Mißgestalt: was kümmert’s mich?
Erröten wird für mich dies Wachsgesicht.
Benvolio. Fort! Klopft und dann hinein! Und sind wir drinnen,
So rühre gleich ein jeder flink die Beine!
Romeo. Mir eine Fackel! Leichtgeherzte Buben,
Die laßt das Estrich mit den Sohlen kitzeln.
Ich habe mich verbrämt mit einem alten
Großvaterspruch: Wer’s Licht hält, schauet zu!
Nie war das Spiel so schön; doch ich bin matt.
Mercutio. Ja wohl, zu matt, dich aus dem Schlamme – nein,
Der Liebe wollt’ ich sagen – dich zu ziehn,
Worin du leider steckst bis an die Ohren.
Macht fort! wir leuchten ja dem Tage hier.
Romeo. Das thun wir nicht.
Mercutio. Ich meine, wir verscherzen,
Wie Licht bei Tag’, durch Zögern unsre Kerzen.
Nehmt meine Meinung nach dem guten Sinn,
Und sucht nicht Spiele des Verstandes drin.
Romeo. Wir meinen’s gut, da wir zum Balle gehen,
Doch es ist Unverstand.
Mercutio. Wie? laßt doch sehen!
Romeo. Ich hatte diese Nacht ’nen Traum.
Mercutio. Auch ich.
Romeo. Was war der eure?
Mercutio. Daß auf Träume sich
Nichts bauen läßt, daß Träume öfters lügen.
Romeo. Sie träumen wahres, weil sie schlafend liegen.
Mercutio. Nun seh’ ich wohl, Frau Mab hat euch besucht.
Romeo. Frau Mab, wer ist sie?
Mercutio. Sie ist der Feenwelt Entbinderin.
Sie kömmt, nicht größer als der Edelstein
Am Zeigefinger eines Aldermanns,
Und fährt mit einem Spann von Sonnenstäubchen
Den Schlafenden quer auf der Nase hin.
Die Speichen sind gemacht aus Spinnenbeinen,
Des Wagens Deck’ aus eines Heupferds Flügeln,
Aus feinem Spinngewebe das Geschirr,
Die Zügel aus des Mondes feuchtem Strahl;
Aus Heimchenknochen ist der Peitsche Griff,
Die Schnur aus Fasern; eine kleine Mücke
Im grauen Mantel sitzt als Fuhrmann vorn,
Nicht halb so groß als wie ein kleines Würmchen,
Das in des Mädchens müß’gem Finger nistet.
Die Kutsch’ ist eine hohle Haselnuß,
Vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm
Zurecht gemacht, die seit uralten Zeiten
Der Feen Wagner sind. In diesem Staat
Trabt sie dann Nacht für Nacht; befährt das Hirn
Verliebter, und sie träumen dann von Liebe;
Des Schranzen Knie, der schnell von Reverenzen,
Des Anwalts Finger, der von Sporteln gleich,
Der Schönen Lippen, die von Küssen träumen
(Oft plagt die böse Mab mit Bläschen diese,
Weil ihren Odem Näscherei verdarb).
Bald trabt sie über eines Hofrats Nase,
Dann wittert er im Traum sich Aemter aus.
Bald kitzelt sie mit eines Zinshahns Federn
Des Pfarrers Nase, wenn er schlafend liegt:
Von einer bessern Pfründe träumt ihm dann.
Bald fährt sie über des Soldaten Nacken:
Der träumt sofort von Niedersäbeln, träumt
Von Breschen, Hinterhalten, Damaszenern,
Von manchem klaftertiefen Ehrentrunk;
Nun trommelt’s ihm ins Ohr; da fährt er auf,
Und flucht in seinem Schreck ein paar Gebete,
Und schläft von neuem. Eben diese Mab
Verwirrt der Pferde Mähnen in der Nacht,
Und flicht in strupp’ges Haar die Weichselzöpfe,
Die, wiederum entwirrt, auf Unglück deuten.
Dies ist die Hexe, welche Mädchen drückt,
Die auf dem Rücken ruhn, und ihnen lehrt,
Als Weiber einst die Männer zu ertragen.
Dies ist sie –
Romeo. Still, o still, Mercutio!
Du sprichst von einem Nichts.
Mercutio. Wohl wahr, ich rede
Von Träumen, Kindern eines müß’gen Hirns.
Von nichts als eitler Phantasie erzeugt,
Die aus so dünnem Stoff als Luft besteht,
Und flücht’ger wechselt, als der Wind, der bald
Um die erfrorne Brust des Nordens buhlt,
Und schnell erzürnt, hinweg von dannen schnaubend,
Die Stirn zum taubeträuften Süden kehrt.
Benvolio. Der Wind, von dem ihr sprecht, entführt uns selbst.
Man hat gespeist; wir kommen schon zu spät.
Romeo. Zu früh, befürcht’ ich; denn mein Herz erbangt,
Und ahnet ein Verhängnis, welches, noch
Verborgen in den Sternen, heute nacht
Bei dieser Lustbarkeit den furchtbarn Zeitlauf
Beginnen, und das Ziel des läst’gen Lebens,
Das meine Brust verschließt, mir kürzen wird
Durch irgend einen Frevel frühen Todes.
Doch er, der mir zur Fahrt das Steuer lenkt,
Richt’ auch mein Segel! – Auf, ihr lust’gen Freunde!
Benvolio. Rührt Trommeln!
(Gehen ab.)
Ein Saal in Capulets Hause. (Musikanten. Bediente kommen.)
Erster Bediente. Wo ist Schmorpfanne, daß er nicht abräumen hilft? Daß dich! mit seinem Tellermausen, seinem Tellerlecken!
Zweiter Bediente. Wenn die gute Lebensart in eines oder zweier Menschen Händen sein soll, die noch obendrein ungewaschen sind, ’s ist ein unsaubrer Handel.
Erster Bediente.Die Lehnstühle fort! Rückt den Schenktisch beiseit! Seht nach dem Silberzeuge! Kamerad, heb mir ein Stück Marzipan auf, und wo du mich lieb hast, sag’ dem Pförtner, daß er Suse Mühlstein und Lene hereinläßt. Anton! Schmorpfanne!
(Andre Bediente kommen.)
Bediente. Hier, Bursch, wir sind parat.
Erster Bediente.Im großen Saale verlangt man euch, vermißt man euch, sucht man euch.
Bediente. Wir können nicht zugleich hier und dort sein. – Lustig, Kerle! haltet euch brav: wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel.
(Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück.) – (Capulet u. s. w. mit den Gästen und Masken.)
Capulet. Willkommen, meine Herrn! Wenn eure Füße
Kein Leichdorn plagt, ihr Damen, flink ans Werk!
He, he, ihr schönen Fraun! wer von euch allen
Schlägt’s nun wohl ab zu tanzen? Ziert sich eine, die,
Ich wette, die hat Hühneraugen. Nun,
Hab’ ich’s euch nah’ gelegt? Ihr Herrn, willkommen!
Ich weiß die Zeit, da ich ’ne Larve trug,
Und einer Schönen eine Weis’ ins Ohr
Zu flüstern wußte, die ihr wohlgefiel.
Das ist vorbei, vorbei! Willkommen, Herren!
Kommt, Musikanten, spielt! Macht Platz da, Platz!
Ihr Mädchen, frisch gesprungen!
(Musik und Tanz.)
(Zu den Bedienten.)
Mehr Licht, ihr Schurken, und beiseit’ die Tische!
Das Feuer weg! Das Zimmer ist zu heiß. –
Ha, recht gelegen kömmt der unverhoffte Spaß.
Na, setzt euch, setzt euch, Vetter Capulet!
Wir beide sind ja übers Tanzen hin.
Wie lang ist’s jetzo, seit wir uns zuletzt
In Larven steckten?
Zweiter Capulet. Dreißig Jahr, mein’ Seel.
Capulet.Wie, Schatz? So lang noch nicht, so lang noch nicht.
Denn seit der Hochzeit des Lucentio
Ist’s etwa fünfundzwanzig Jahr, sobald
Wir Pfingsten haben; und da tanzten wir.
Zweiter Capulet. ’s ist mehr, ’s ist mehr! Sein Sohn ist älter, Herr.
Sein Sohn ist dreißig.
Capulet. Sagt mir das doch nicht!
Sein Sohn war noch nicht mündig vor zwei Jahren.
Romeo. (zu einem Bedienten aus seinem Gefolge.)
Wer ist das Fräulein, welche dort den Ritter
Mit ihrer Hand beehrt?
Der Bediente. Ich weiß nicht, Herr.
Romeo. O, sie nur lehrt die Kerzen, hell zu glühn!
Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,
So hängt der Holden Schönheit an den Wangen
Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen.
Sie stellt sich unter den Gespielen dar,
Als weiße Taub’ in einer Krähenschar.
Schließt sich der Tanz, so nah’ ich ihr: ein Drücken
Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.
Liebt’ ich wohl je? Nein, schwör’ es ab, Gesicht!
Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.
Tybalt. Nach seiner Stimm ist dies ein Montague.
(Zu einem Bedienten.)
Hol meinen Degen, Bursch! – Was? wagt der Schurk
Vermummt in eine Fratze herzukommen,
Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?
Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel!
Wer tot ihn schlüg’, verdiente keinen Tadel.
Capulet. Was habt ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu?
Tybalt. Seht, Oheim! der da ist ein Montague.
Der Schurke drängt sich unter eure Gäste,
Und macht sich einen Spott an diesem Feste.
Capulet. Ist es der junge Romeo?
Tybalt. Der Schurke Romeo.
Capulet. Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt ihn gehn!
Er hält sich wie ein wackrer Edelmann:
Und in der That, Verona preiset ihn
Als einen sitt’gen, tugendsamen Jüngling.
Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt
In meinem Haus’ ihm einen Unglimpf thun.
Drum seid geduldig; merket nicht auf ihn.
Das ist mein Will’, und wenn du diesen ehrst,
So zeig’ dich freundlich, streif’ die Runzeln weg,
Die übel sich bei einem Feste ziemen,
Tybalt. Kömmt solch ein Schurk’ als Gast, so stehn sie wohl.
Ich leid’ ihn nicht.
Capulet. Er soll gelitten werden,
Er soll! – Herr Junge, hört er das? Nur zu!
Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu!
So? will er ihn nicht leiden? – Helf mir Gott! –
Will Hader unter meinen Gästen stiften?
Den Hahn im Korbe spielen? Seht mir doch!
Tybalt. Ist’s nicht ’ne Schande, Oheim?
Capulet. Zu! Nur zu!
Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch!
Der Streich mag euch gereun: ich weiß schon was.
Ihr macht mir’s bunt! Traun, das käm’ eben recht! –
Brav, Herzenskinder! – Geht, ihr seid ein Hase!
Seid ruhig, sonst. – Mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck! -
Will ich zur Ruh’ euch bringen! – Lustig, Kinder!
Tybalt. Mir kämpft Geduld aus Zwang mit will’ger Wut
Im Innern, und empört mein siedend Blut.
Ich gehe: doch so frech sich aufzudringen,
Was Lust ihm macht, soll bittern Lohn ihm bringen.
(Geht ab.)
Romeo. (tritt zu Julien.)
Entweihet meine Hand verwegen dich,
O, Heil’genbild, so will ich’s lieblich büßen.
Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich,
Den herben Druck im Kusse zu versüßen.
Julia. Nein, Pilger, lege nichts der Hand zu Schulden
Für ihren sittsam-andachtsvollen Gruß.
Der Heil’gen Rechte darf Berührung dulden,
Und Hand in Hand ist frommer Waller Kuß.
Romeo. Hat nicht der Heil’ge Lippen wie die Waller?
Julia. Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.
Romeo. O, so vergönne, teure Heil’ge, nun,
Daß auch die Lippen wie die Hände thun.
Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,
Daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre.
Julia. Du weißt, ein Heil’ger pflegt sich nicht zu regen,
Auch wenn er eine Bitte zugesteht.
Romeo. So reg dich, Holde, nicht, wie Heil’ge pflegen,
Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.
(Er küßt sie.)
Nun hat dein Mund ihn aller Sünd’ entbunden.
Julia. So hat mein Mund zum Lohn sie für die Gunst?
Romeo. Zum Lohn die Sünd’? O Vorwurf, süß erfunden!
Gebt sie zurück.
(Küßt sie wieder.)
Julia. Ihr küßt recht nach der Kunst.
Wärterin. Mama will euch ein Wörtchen sagen, Fräulein.
Romeo. Wer ist des Fräuleins Mutter?
Wärterin. Ei nun, Junker,
Das ist die gnäd’ge Frau vom Hause hier,
Gar eine wackre Frau, und klug und ehrsam.
Die Tochter, die ihr spracht, hab’ ich gesäugt.
Ich sag’ euch, wer sie habhaft werden kann
Ist wohl gebettet.
Romeo. Sie eine Capulet? O, teurer Preis! mein Leben
Ist meinem Feind als Schuld dahingegeben.
Benvolio. Fort! laßt uns gehn; die Lust ist bald dahin.
Romeo. Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn.
Capulet. Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht!
Ein kleines, schlichtes Mahl ist schon bereitet. –
Muß es denn sein? – Nun wohl, ich dank’ euch allen;
Ich dank’ euch, edle Herren! Gute Nacht!
Mehr Fackeln her! – Kommt nun, bringt mich zu Bett.
(Alle ab, außer Julia und die Wärterin.)
Julia. Komm zu mir, Amme: wer ist dort der Herr?
Wärterin. Tiberios, des alten, Sohn und Erbe.
Julia. Wer ist’s, der eben aus der Thüre geht?
Wärterin. Das, denk’ ich, ist der junge Marcellin.
Julia. Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte?
Wärterin. Ich weiß nicht.
Julia. Geh, frage, wie er heißt. – Ist er vermählt,
So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.
Wärterin. (kommt zurück.)
Sein Nam’ ist Romeo, ein Montague,
Und eures großen Feindes ein’ger Sohn.
Julia. So ein’ge Lieb’ aus großem Haß entbrannt!
Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt.
O, Wunderwerk! ich fühle mich getrieben,
Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben.
Wärterin. Wie so? wie so?
Julia. Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer
Soeben lernte.
(Man ruft drinnen: "Julia!")
Wärterin. Gleich! wir kommen ja.
Kommt, laßt uns gehn: kein Fremder ist mehr da.
(Ab.)