Ein
Paar, das sich gefunden hat, wird ab dem ersten gemeinsamen Tag mit Themen
konfrontiert, an denen es als Paar und als Individuum wachsen kann. Die
gemeinsame Entwicklung als Paar ist erforderlich, weil unterschiedliche
Lebensphasen Auseinandersetzungen, Anpassungen und vielleicht auch Veränderungen
verlangen.
Übergänge von einer Paar-Lebensphase zur nächsten werden manchmal durch
bestimmte Ereignisse oder Abläufe eingeleitet. Solche Auslöser oder Ereignisse
im Leben eines Paares können sein:
» Sich kennenlernen
» Die Beziehung festigen
» Kinder bekommen
»
Lebenskrisen aushalten
» Den Weggang der Kinder verarbeiten
»
Als Paar älter werden
»
Aus dem Berufsleben ausscheiden
»
Sich mit Gebrechlichkeit und Tod
auseinandersetzen
»
Grundlagen der Paarentwicklung
In dieser Phase geht es darum, ein Paar zu werden. Aufgaben im Rahmen der
Paarentwicklung können sein:
- Gemeinsame Aktivitäten finden
- Übereinstimmung von Interessen prüfen
- Individualität eines jeden Partners sowie Gemeinsamkeit miteinander
auszutarieren
- Belastung durch erlebte Enge oder erlebte Abhängigkeit bewältigen
- Den anderen sowie sich selbst als eigenständige andersartige
Individuen anerkennen
- Individuelle Erlebnisräume bei sich selbst und dem Partner zulassen
- Wertemodelle, also was einem selbst wichtig ist, mit dem Partner
austauschen, sich in der Tiefe kennenlernen
- Sich als Paar gegenüber anderen Beziehungen abzugrenzen
In dieser Phase geht es darum, die Beziehung auf eine stabile Grundlage zu
stellen. Aufgaben dabei können sein:
- Gemeinsame Ziele formulieren
- Prüfen, ab ein Zusammenleben möglich und gewünscht ist
- Lernen, zusammenzuleben
- Gegenseitiges Verständnis im Alltag, Akzeptanz des anderen
- die Aufgaben- und Rollenverteilung untereinander klären
- Den gemeinsamen Lebensunterhalt sichern
- Sich bei der Familienplanung einigen
- Klären, ob man heiraten will
In dieser Phase geht es darum, die Beziehung zum Partner nicht nur über die
Familie (einschließlich Kindern) zu leben, sondern sich weiterhin auch als Paar
zu verstehen. Aufgaben in dieser Phase können sein:
- Die Partnerrolle und die Elternrolle definieren und voneinander
abgrenzen
- Das Zusammenspiel der Partner an die Anforderungen durch die neue
Elternrolle anzupassen
- Lernen, gemeinsam als Eltern zu agieren
- Bei einer klassischen Rollenaufteilung (einer bleibt zuhause und
übernimmt die Kinderbetreuung und den Haushalt, der andere bleibt
berufstätig) gibt es gleich mehrere Themen: was bedeutet die Aufteilung
der Rollen, welche Auswirkungen hat sie auf die Beziehung? Wie ist die
Aufteilung für beide ausgewogen, was sind Erwartungen an den anderen?
Entstehen finanzielle Abhängigkeiten und wie will man als Paar damit
umgehen? Welche Verantwortungen lasten auf wem und wie kann der andere
zur Entlastung beitragen?
- Durch die wachsende Eigenständigkeit der Kinder (bis zu deren
Selbstständigkeit und Auszug) braucht es immer wieder eine Anpassung der
Beziehungen zueinander – nicht nur zu den Kindern, sondern auch zum
Partner
In Lebensphasen, die durch eine Krise geprägt sind geht es bei der
Paarentwicklung darum, mit den daraus resultierenden Belastungen umzugehen. Jede
Lebenskrise (beispielsweise Arbeitslosigkeit, Krankheit, Stress, Ärger im Beruf, Probleme
in der Familie oder Verwandtschaft) betrifft früher oder später beide Partner,
auch wenn zunächst vielleicht nur einer konkret betroffen ist.
- Beide Partner müssen wahrnehmen, ob und wie stark sie sich belastet
fühlen. Die persönliche Wahrnehmung kann (und wird wahrscheinlich) sehr
unterschiedlich sein, daher ist ein Austausch darüber wichtig, damit der
andere nachvollziehen kann, wie es dem einen damit geht
- Keine Schuldzuweisung an den anderen, keine Selbstvorwürfe an sich
selbst.
- Gegenseitige Wertschätzung und Achtung
- Aktiv und gemeinsam nach einer Lösung aus der Krise suchen
- Beide Partner müssen sich darüber klar sein, dass jeder der Partner
unterschiedlich mit der Herausforderung einer Lebenskrise und der damit
einhergehenden Belastung umgeht bzw. umgehen kann. Auch hier ist es
wichtig, sich auszutauschen, aber auch zu akzeptieren, dass es
verschiedene Umgänge gibt und dass das, was für den einen passt nicht
automatisch auch für den anderen passen muss.
- Unterstützung vom Partner und von außen annehmen (Freunde, Familie,
Verwandte)
In dieser Phase geht es darum, sich mit der Situation "nun sind wir wieder
vor allem ein Paar und weniger eine Familie" auseinanderzusetzen. Aufgaben
können sein:
- Gemeinsam über das "leere Nest" trauern und diese Trauer verarbeiten
- Den Lebensstil an die neue Situation anpassen. Neu gewonnene
Freiräume nutzen, auch für das Erleben von Partnerschaft
- Die Paarbeziehung auf die neue Situation anpassen, beispielsweise
indem die Rollenverteilung oder die verteilten Aufgaben verändert wird
- Ungelöste Konflikte aus der Familienzeit aufarbeiten
- Neue Rollen und Aufgaben, die durch den Umgang mit den nun
erwachsenen Kindern entstehen, in die Paarbeziehung integrieren (beispielsweise
"Großeltern sein")
In dieser Phase geht es darum, mit den durch das Alter auftretenden
körperlichen und psychischen Veränderungen umzugehen.
- Mit zunehmendem Alter geht einher, dass die männliche bzw. weibliche
Geschlechterrollenorientierung aufweicht: Männer entdecken und leben die
Eigenschaften Zärtlichkeit, Sensibilität, Gemeinschaftssinn, Frauen
entdecken und leben Durchsetzungsvermögen,
Macht und Selbstbewusstsein.
Eine Auseinandersetzung mit diesen Veränderungen hilft, Überraschungen
oder auch Konflikten vorzubeugen
- Mit dem Altern gehen körperliche Veränderungen einher, beispielsweise durch
das Absinken des Östrogen- bzw. Testosteronspiegels. Wenn "körperliche
Attraktivität" einen großen Stellenwert in der Paarbeziehung hat, können
diese Veränderungen zu Herausforderungen werden.
- Gesundheitliche Beeinträchtigungen eines Partners können zum
Entstehen von Ungleichgewichten oder auch Abhängigkeiten führen.
In dieser Phase geht es darum, die Auswirkungen durch den Wegfall des Berufes
zu bewältigen. Am besten möglichst früh, also schon vor dem eigentlichen
Ausscheiden kann eine Auseinandersetzung darüber beginnen, was diese Veränderung
für jeden bedeutet.
- Bei dem Partner, bei dem der Beruf wegfällt, fällt damit häufig auch
die Bestätigung weg, wichtiges beizutragen. In der Folge kann es zu
Selbstwertproblemen kommen. Hilfreich ist der Auf- bzw. Ausbau neuer
Kontakte und Aktivitäten (auch außerhalb von Partnerschaft und Familie)
- Bei "anderen" Partner können aufgrund der veränderten Situation
Befürchtungen aufkommen, beispielsweise dass eigene Freiräume wegfallen oder der
andere Partner sich zu sehr einmischt. Es kann erforderlich sein, die
Rollenverteilung oder die verteilten Aufgaben (erneut) anzupassen.
- Im Vergleich zu früher mehr Zeit füreinander zu haben bedeutet auch,
als Paar ein neues Gleichgewicht zu suchen zwischen Abstand und
Intimität, zwischen Individualität und Gemeinsamkeit.
In dieser Phase geht es darum, gemeinsam die letzte Lebensphase zu gestalten,
miteinander alt zu werden und die damit verbundenen Themen zu bearbeiten.
Konkrete Themen können sein:
- Wie gehen wir als Paar damit um, wenn einer der beiden Partner
gebrechlich wird bzw. wenn wir beide gebrechlich werden?
- Auseinandersetzung mit dem Sterben und Tod des Partners
- Spätestens jetzt: Klärung von Testament und Nachlass gegenüber den
Nachkommen oder anderen Begünstigten
Um in der Beziehung als Paar gemeinsam wachsen zu können, braucht es nach
Paartherapeut Dr. David Schnarch vier Fähigkeiten, die jeder Partner haben oder
entwickeln sollte:
1. Jedem sollte klar sein, wer man ist und welche Ziele einem wichtig sind,
damit man sich nicht einfach nur den Vorstellungen des Partners anpasst
2. Jeder sollte fähig sein, sich selbst zu beruhigen und eigenständig seine
Ängste überwinden können
3. Jeder sollte angemessen auf Herausforderungen reagieren, statt zu
übertreiben oder davonzulaufen
4. Jeder sollte bereit sein, sich mit Problemen auseinanderzusetzen und die
mit der Weiterentwicklung aufkommenden negativen Gefühle zu ertragen.